Die Dorfmusikanten

Im 20. Jahrhundert gab es in Herrnneuses eine Dorfmusikkultur. Ein herausragender Vertreter war Johann Schemm *29.8.1889, †28.11.1981, Landwirt und Musiker. Er wohnte im Haus Nr.13 (heute Haus Nr. 19). Schon als Vierzehnjähriger lernte er beim Musikmeister Eduard Fürst Violine und Flügelhorn.1

Eduard Fürst *1860, †1932, war ein Mitglied der berühmten fränkischen Musikerfamilie Fürst aus Heidenheim am Hahnenkamm, später Feuchtwangen. Die Familie Fürst gestaltete in wesentlichen Dingen für viele Jahrzehnte die musikalischen, kulturellen und gesellschaftlichen Geschehnisse in Feuchtwangen, Rothenburg ob der Tauber, Weisendorf, Gunzenhausen und Neustadt an der Aisch.

Eduard Fürst war städtischer Musikmeister in Neustadt und Leiter der Stadtkapelle „Neustädter Pfeifer“. Er hatte eine eigene, in der Region bedeutende, Musikschule, aus der viele sehr namhafte lokale Musiker hervorgingen. Die Musikschule befand sich in Neustadt, Alleestraße 12 (direkt an der Bleiche). Im Neustädter Gesangverein „Liedertafel 1834“ war er nicht nur Sänger, sondern von 1901 bis 1919 auch musikalischer Leiter und Dirigent.2
Eduard Fürst schrieb eine ganze Serie eigener Kompositionen für Soloinstrumente und für Orchester.
(Sein Bruder Georg Fürst *1870, †1936, komponierte 1914 den „Badonviller Marsch“. Später wählte  Hitler diesen Marsch als Erkennungsmelodie bei seinen Auftritten. Deshalb darf er von deutschen Bundeswehr- und Polizeikapellen nicht mehr gespielt werden.)

Eduard Fürst, umgeben von seine Schülern. Alle Schüler mit Violine.

Eduard Fürst mit seinen Schülern um 1905.
Von links, stehend: Jean Gassner und Leonhard Götz;
von links, sitzend: Johann Schemm (?), Eduard Fürst, Hans Götz.
Foto: Stadtarchiv Neustadt

Vielleicht hat Johann Schemm von diesem Notenblatt gespielt. Diese und noch viele weitere  Noten von Eduard Fürst befinden sich in den Museen im Alten Schloss in Neustadt an der Aisch.

Johann Schemm wurde 1911 zum Militärdienst in ein Artillerie-Regiment nach Landau in der Pfalz eingezogen. Dort wurde er in die Regimentskapelle übernommen, wo er auf dem Horn spielte.
Er heiratete am 15.5.1914 Anna Barbara Jordan aus Untersachsen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er bei der Artillerie zwischen Flandern und Verdun in Frankreich.3

Nach dem Ersten Weltkrieg spielte Johann Schemm Trompete und Tenorhorn in den Kapellen

  • Hans Studtrucker aus Dürrnbuch,
  • Karl Stumpner aus Neustadt (Diese Kapelle wurde 1925 gegründet und 1963 von Johann Beck aus Oberroßbach übernommen.),
  • Neustädter Stadtkapelle (unter der Leitung von Hans Dörfler, der auch ein ehemaliger Schüler von Eduard Fürst war).4

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde allen Lehrern von der Regierung nahegelegt, die Zusammenarbeit mit der Kirche zu unterlassen. Auch der damalige Lehrer Stäudtner kündigte seinen Organistendienst in Herrnneuses.
Daraufhin baute sich Johann Schemm selbst ein Harmonium und lernte darauf innerhalb kürzester Zeit das Orgelspielen. Er war von 1934 bis 1976 ehrenamtlicher Organist in Herrnneuses.
In dieser Zeit und auch noch in seinem Ruhestand gab er Kindern Musikunterricht auf verschiedenen Instrumenten. Auch an der Orgel bildete er Mädchen und Jungen aus Herrnneuses und Schellert aus. Eine seiner Schülerinnen spielt noch heute die Orgel in der Kirche in Herrnneuses. Eine andere Schülerin spielte viele Jahre im Münster in Münchsteinach die Orgel.

Johann Schemm mit einem Schüler an der Orgel.

Johann Schemm mit einem seiner Schüler an der Orgel
in der Kirche Herrnneuses.

Johann Schemm an seinem 80. Geburtstag.
Foto: Fränkische Landeszeitung, 30.8.1969

Johann Schemm an seinem Harmonium.

 

Johann Schemm hat seine Musikalität offenbar an seinen Sohn Friedrich „Fritz“ Schemm *20.9.1920, †8.12.1997, weitergegeben. Fritz Schemm spielte bei vielen Veranstaltungen in Herrnneuses und Umgebung Tenorhorn, Posaune und Schlagzeug.

Er spielte in den Kapellen von

  • Ludwig Studtrucker aus Langenzenn,
  • Konrad Tischer aus Emskirchen. (Tischer lernte beim Musikmeister Johann Georg Streckfuß *15.3.1889 in Brunn, †1960, auch ein Schüler von Eduard Fürst, Stadtmusikdirektor in Rothenburg ob der Tauber und dort auch Inhaber einer renommierten Musikschule.)
Die Kapelle marschiert mit Tenorhorn, Klarinette, Akkordeon und Trommel vor den Schützen am Haus Anselstetter vorbei.

Fritz Schemm am Schlagzeug.

Kapelle mit Kirchweihburschen und Mädchen vor der Scheune der Schlosswirtschaft. Im Vordergrund zwei Personen verkleidet. Einer ist wohl die "Kerwasau".

Kirchweih vor der Scheune der Schlosswirtschaft, Fritz Schemm hinten rechts.

Karl Lux *7.2.1921 in Wilka/Wilken in Schlesien (heute Gemeinde Sulikòw in Polen), †1989. Er kam 1948 mit seiner Familie nach Herrnneuses. Die Vorfahren von Karl Lux waren alle sehr musikalisch, selbst ein Kapellmeister gehörte dazu.

Karl Lux, ein talenierter Musiker und leidenschaftlicher Künstler, beherrschte mehrere Instrumente. In der „Bläsergruppe Obersteinbach“ spielte er die Klarinette und mit seinem Akkordeon spielte er oft ganz spontan in den beiden Gastwirtschaften von Herrnneuses. Auch mit seiner Geige konnte er die Menschen begeistern.

 

Karl Lux mit seinem Akkordeon.

 

Karl Lux mit Akkordeon
Karl Lux mit Akkordeon, vier Personen sitzen um den Tisch.

Kappenabend in der Schlosswirtschaft mit Karl Lux am Akkordeon um 1970.

 

Musiker in der Familie Gruber

  • Johann Friedrich Gruber *23.10.1907, gefallen 1941
  • Johann Adam „Hans“ Gruber *2.8.1933, †2.6.2009, Sohn von Johann Friedrich Gruber
  • Helmut Gruber *30.6.1941, †15.7.2017, Gastwirt in der Schlosswirtschaft
  • Johann Pröll *18.11.1933, †19.4.1994, Schwager von Helmut Gruber

 

 

 

Helmut Gruber am Schlagzeug, Hans Gruber mit Tenorhorn
und Johann Pröll mit Trompete.

Vier Musiker sitzend mit Schlagzeug, Tenorhorn, Trompete und Akkordeon.

 

 

Die älteren Einwohner von Herrnneuses und Schellert erinnern sich noch, mit einem Schmunzeln, an die Kapelle „Schie-Lu-Schmu“. Heute würde man die drei Musiker eine Band nennen. Der Name der Kapelle setzte sich aus den Nachnamen der drei Mitglieder (Schiefer, Lux, Schmutzer) zusammen:

Johann Georg „Görg“ Schiefer *16.7.1884 aus Schellert spielte Geige. Johann Georg und sein Bruder Matthäus „Mathes“ *24.9.1873 bauten Geigen zusammen mit ihrem Vater, dem Zimmermann Leonhard Schiefer *25.4.1845, †3.4.1925.
Karl Lux war mit seinem Akkordeon dabei.
Johann „Hans“ Schmutzer *13.8.1925 aus Herrnneuses spielte Kontrabass. Auch wenn manchmal die Einsätze an der falschen Stelle kamen oder es Misstöne gab, war die Hauptsache, dass Musiker und Zuhörer ihren Spaß hatten.

Georg und Mathäus Schiefer

Zeitungsausschnitt um 1938: Stadtarchiv Neustadt

Impressionen aus der Musikkultur

??? Fragen ???

  • Wer kennt weitere Musiker in der Bildergalerie?
  • Kirchweih 1951: Wo im Dorf ist das?

Falls jemand die Fragen beantworten kann, bitte über Kontakt melden.

 

Leider sind keine Tondokumente der Neisemer Dorfmusiker vorhanden. Hörproben fränkischer Volksmusik findet man bei der „Forschungsstelle für fränkische Volksmusik“.

Quellen:

  1. FLZ (1964).
  2. FÜRST (2016).
  3. FLZ (1964).
  4. GRIEBEL (2015).

Erinnerungen von Einwohner:innen aus Herrnneuses und Emskirchen.
Fotos von Heidi Pröll, Helmut Christl und Ewald Keßler.