Geschichte und Geschichten über das Gasthaus „Rotes Roß“

Neben der Schlosswirtschaft (gegenüber der Kirche), die im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zerstört und danach von einem protestantischen Glaubensflüchtling aus Salzburg wieder aufgebaut wurde, gab es bereits um 1666 ein weiteres Gasthaus an der Kreuzung der beiden durch das Dorf führenden Straßen.

Das „Rote Roß“ Haus Nr. 27 (heute Haus Nr. 44) prägte das Ortsbild von Herrnneuses von 1773 bis zum Abbruch des Gebäudes 1973. Das große Gebäude (Erdgeschoss massiver Sandstein, Obergeschoss verputztes Fachwerk1) beherbergte nicht nur das Gasthaus, sondern auch die Amtsstube des Bürgermeisters und das öffentliche Telefon.

Das Anwesen im Urkatasterplan von 1827.
Das kleine Gebäude rechts neben dem Gasthaus (27) war das Brauhaus.
An der rechten oberen Ecke des Wohnhauses befand sich ein Brunnen.
(© Bay. Landesamt für Vermessung und Geoinformation)

 

Das „Rote Roß“ hieß nicht immer so. Eine Zeit lang war es auch ein „Weißes Roß“ und manchmal hieß es nach seinen jeweiligen Besitzern.

Das „Rote Roß“ im Lauf der Zeit

In fränkischen Dörfern war das Gasthaus der Ort des kulturellen Dorflebens.
In Herrnneuses verteilte es sich auf die zwei Gasthäuser.

Hier feierte man die Kirchweihen, Faschingsbälle, Hochzeiten und Taufen. Bei Beerdigungen wurde der Leichenschmaus serviert – traditionell Rindfleich mit Kren. Gekocht wurde nur zu diesen besonderen Anlässen.

Die Gemeindeverwaltung und Vereine nutzten das Gasthaus für ihre Versammlungen.

Bei Vortragsveranstaltungen gab es auch schon mal „prächtige Farbbilder“ zu sehen. Die Fränkische Landeszeitung berichtete über einen Lichtbildervortrag von Pfarrer Löblein 1968.

Mit einem Klick auf die Seite kann man sie besser lesen.

In den Wintermonaten der 1960er Jahre wurden in vielen Dörfen im Umkreis die „Kulturfilme“ gezeigt, so auch im „Roten Roß“. Der Vorführer kam mit seinem Projektor aus Neustadt und für wenig Eintrittsgeld konnte man z.B.  die beliebte Fernsehserie „Funkstreife Isar 12“ ansehen, denn einen Fernseher gab es noch lange nicht in jedem Haushalt.

 

 

Musik war noch „live“ zu hören. Sie kam nicht aus dem Radio oder von der Schallplatte. Karl Lux spielte auf seinem Akkordeon.

Sonntags nach dem Gottesdienst kamen die Männer zum Frühschoppen, während sich die Frauen um den Sonntagsbraten kümmern mussten. Nach einigen „Seidla“ Bier und einem zünftigen Schafkopf kam so mancher zu spät zum Mittagessen.

Man konnte sich damals samstagabends in der Wirtsstube vom „Roten Roß“ auch die Haare schneiden lassen.
Heute unvorstellbar! Der Frisör Herr Fürst, ein Ungarndeutscher, kam mit seinem Handwerkszeug aus Schellert. Zu dieser Gelegenheit gab es oft Stadtwurst.

Aus der Geschichte

Ehemalige Besitzer: 2, 3

1666 – 1688

Christoph Grübner
*1624, †21.8.1688, erster nachweisbarer Besitzer, Wirt, Heiligenpfleger und Glashändler,

∞1665 Ursula *1639, †19.8.1673, 8 Kinder,
∞23.1.1677 Helena Wildenbauer, verw. Pfarrfrau aus Weisendorf, 4 Kinder

In einem Rechnungsbuch der Glashütte in Schellert hat der damalige Verwalter Johann Georg Geer die Glas-Verkäufe des Christoph Grübner von „Walpurgiß“ (30. April) bis „Jacobi“ (25. Juli) 1686 vermerkt. Grübner verkaufte 806 weiße Schalen, 1027 grüne Schalen, 75 Plätterlein (kleine Fläschchen), 60 grüne Spiegelscheiben und 2 Wagen von „kleinem schwaben bundtglaß“ (Butzenscheiben). Alles zusammen hatte einen Wert von 94 Gulden und 15 ¼ Kreutzer. Das „ungeltt“ wurde an das Amt in Wilhermsdorf gezahlt.5

w

ungeltt

Ungeld, Umgeld, Ohmgeld

Eine seit dem 13. Jahrhundert erhobene Verbrauchssteuer (Umsatzsteuer).

1688 – 1724

Johann Christoph Grübner
*1663, †17.11.1737, Sohn von Christoph und Ursula Grübner, Wirt, Beck und Heiligenpfleger,

∞13.11.1688 Barbara Schüll/Schutt/Schuh aus Oberstrahlbach *1663, †4.6.1700, 9 Kinder (5 starben früh),
∞Dorothea Spahn aus Oberstrahlbach, *1679, †23.7.1723, 3 Kinder

1724 – 1760

Johannes Reichel
*1692, †30.4.1771, Wirt, Siebner, Schultheiß, Zimmermann aus Rennhofen,
∞22.8.1724 Sara Grübner *25.4.1706, †13.3.1767, Tochter von Joh. Christoph Grübner und Dorothea Spahn

1760 – 1763
Weisses Roß

Johann Andreas Jordan
†1762, Wirt in Neuses, Sohn eines Bürgers und Schneidermeisters aus Wilhelmsdorf,

∞12.9.1760 Elisabeth Lettenmeier, Tochter eines Melbers (Mehlhändler) aus Langenzenn; am 16.8.1763 heiratet sie als Witwe den Wirt Johann Raaber aus Emelsdorf.

1763 – 1799

Johann Raaber
*1736, †31.1.1804, Wirt, Gastgeber, Bierbrauer aus Emelsdorf, seit 1789 auch Handelsmann,
∞16.8.1763 Elisabeth, verw. Jordan, geb. Lettenmeier *1730, †6.2.1784, 6 Kinder,
∞25.10.1801 A. M. Meier, verw. Bleicher, aus Ansbach

Johann Raaber hat 1773 das Sandsteingebäude erbaut und das Anwesen vermutlich um eine Brauerei erweitert. Er stellte einen Braugesellen und einen Brauknecht an:

Johann Matthäus Loos
Büttner und Braugeselle

Georg Adam Kolb
Brauknecht aus Westheim am Kocher (bei Schwäbisch Hall)

∞29.10.1770 Barbara Kleinschmidt aus Westheim am Kocher

1799 – 1800

Johann Raaber
*1769, †30.5.1829, Sohn von Joh. Raaber und Elisabeth Jordan, Wirt, zuletzt Almosenempfänger,

∞16.9.1799 Eva Margareta Pfeiffer aus Oberschweinach *1775, †11.10.1800

1800 – 1821

Georg Klenk
*1755, †3.9.1825, aus Adelsdorf, Besitzer des früheren Güldhofs (heute Haus Nr. 2) in Unterstrahlbach, später Bierbrauer,

∞21.7.1789 Margarete Jordan *23.8.1762, †12.8.1814, Tochter von Joh. Andreas Jordan, Wirt in Herrnneuses, 4 Kinder

1821 – 1856

Johann Martin Klenk
*1790, †5.3.1856, Wirt und Bierbrauer, Sohn von Georg Klenk, stirbt in der Wolfsmühle bei seiner Tochter Kunigunda Kuhr und ihrem Mann Georg Adam Kuhr, Müllermeister.

∞8.7.1821 Margareta Barbara Huthöfer *1794, †16.2.1851 an Entkräftung, Tochter von Leonhardt Huthöfer, Bauer und Steuervorsteher in Herrnneuses, 15 Kinder (10 starben früh)

1857 – 1870/74

Johann Peter Georg Schönleben
*8.11.1837, Gastwirt und Brauer, Sohn von Leonhardt Schönleben aus Wulkersdorf,

∞6.5.1857 Eva Barbara Klenk *29.5.1837, †15.7.1874, Tochter von Joh. Martin und Margareta Barbara Klenk, 6 Kinder

1874 – 21.4.1885

Johann Michael Schemm
*4.11.1823, †21.6.1901, vorher Bauer auf dem Wirtschaftshof Nr. 16, Gemeindevorsteher von 1860 bis 1870, ersteigert das Anwesen,
∞24.10.1853 Anna Apollonia Huthöfer *27.9.1820, 5 Kinder

1885 – 13.2.1914

Johann Martin Schemm
*23.11.1856, †1920 in Neustadt an Blinddarmentzündung, Sohn von Johann Michael und Apollonia Schemm,

∞1885 Katharina Barbara Rupprecht, †1900, aus Unterschweinach, 7 Kinder,
∞17.2.1901 Barbara Lindner aus Kästel, *23.11.1856, †24.5.1920

1914 –

Friedrich Schemm
*3.11.1888, †25.5.1956, Bauer, Wirt, Bürgermeister, Sohn von Joh. Martin und Kath. Barbara Schemm,

∞8.5.1914 Margareta Barbara Zeilinger *23.2.1893, †2.3.1977 aus Buchklingen.
Der älteste Sohn Johann „Hans“ Schemm, ∞Wilhelmina „Mina“ Huthöfer, ist 1944 im 2. Weltkrieg vermisst.

Das Bild zeigt die Hochzeit von Mina Huthöfer und Hans Schemm.
In der ersten Reihe links, Margareta Barbara Schemm geb. Zeilinger.
Foto: Heiner Vogel

– 1973

Konrad Schemm
*22.1.1923, †17.1.2013, Bauer, Wirt, Bürgermeister, Sohn von Friedrich und Margarete Schemm,

∞Maria Eckert *8.5.1929, †16.12.2012 aus Neidhardswinden

Warum wird der Besitzer eines stattlichen Gasthofs Almosenempfänger?

Johann Raaber *1769, †30.5.1829, Besitzer und Wirt vom „Roten Roß“, hat das Gasthaus von seinen Eltern Johann Raaber und Elisabeth Jordan geerbt.
Er heiratete am 16.9.1799 Eva Margareta Pfeiffer *1775, †11.10.1800 aus Oberschweinach. Eva Margareta starb nach der Geburt ihres ersten Kindes im Kindbett, die kleine Tochter 24 Tage später an Fieber.

Danach übernimmt seine ältere Halbschwester Margarete Jordan *23.8.1762 mit ihrem Mann Georg Klenk aus Unterstrahlbach das Anwesen. Leider erzählt uns das Kirchenbuch nur, dass Johann Raaber am Ende seines Lebens Almosenempfänger war. Wie es dazu kam, wissen wir nicht.

Das schwere Schicksal der Familie Schönleben

Der Gastwirt und Brauer Johann Peter Georg Schönleben *8.11.1837,  † zw. 1866 und 1870 starb noch vor seiner Frau Eva Barbara geb. Klenk, die ihm am 15.7.1874 folgte.
Sie hatten sechs Kinder, drei der Kinder

  • Margareta Barbara *23.11.1861, †29.7.1862
  • Apollonia *23.11.1861
  • Margareta *30.5.1863, †6.5.1864

starben noch zu Lebzeiten der Mutter.

Nach dem Tod der Mutter wurden die anderen drei Kinder

  • Georg Leonhardt *24.4.1859, 15 Jahre
  • Johann *3.9.1860, 14 Jahre
  • Kunigunda *17.8.1866, 8 Jahre

von ihrer Tante Kunigunda Kuhr geb. Klenk *1829, †13.5.1905 und ihrem Mann Georg Adam Kuhr *1828, †1881, Müllermeister und Besitzer der Wolfsmühle zwischen Wilhermsdorf und Markt Erlbach aufgenommen.

Der gesamte Besitz der Familie wurde versteigert.

Die Fränkische Tageszeitung berichtete am 11. September 1874 über die Versteigerung.

Mit einem Klick auf die Seite kann man sie besser lesen.

In der Bekanntmachung wird das stattliche Anwesen beschrieben. Es gab mehrere Gebäude: Wohnhaus, Scheune, Brauhaus und Nebengebäude. Außer dem Hauskeller gehörten der große Keller unter dem Wirtschaftshof Nr. 16 und ein Felsenkeller an der Straße nach Oberstrahlbach zum Anwesen. 

Versteigert wurden auch 2 Pferde. Nicht jeder Bauer besaß Pferde. Das war ein Privileg der großen Höfe. Neben Kühen und Kalbinnen wurden „3 Raupen“ angeboten, das sind männliche Kälber von 1/4 bis zu 1 Jahr.

Nur einige Habseligkeiten der Kinder, wie Betten, Kleidungsstücke und Wäsche, wurden nicht versteigert.

Es ist nicht bekannt, welchen Erlös die Versteigerung brachte und ob das Geld den Kindern zugute kam.

Nur das Brauhausgebäude steht heute noch. 

Eine glückliche Fügung für die drei Waisen:

  • Georg Leonhardt Schönleben erlernte das Müllerhandwerk und heiratete am 24.5.1892 in Schwabach Kunigunda Paulus. Sie wohnten in Rednitzhembach.
  • Johann Schönleben heiratete am 1.3.1889 in Neuhof Eva Katharina Göß verw. Popp und wurde Bauer in Adelsdorf. Er starb am 30.3.1935.
  • Kunigunda Schönleben heiratete am 17.5.1887 in Markt Erlbach ihren Cousin Johann Benedikt Kuhr *4.9.1856, †24.7.1913.
    Er  wurde Müllermeister und übernahm am 17. Nov. 1886 nach dem Tod des Vaters von der Mutter Kunigunda Kuhr und den übrigen 3 Geschwistern die Mühle. Das Anwesen ging am 31. Januar 1898 an den Creditverein Markt Erlbach.4

Felsenkeller und Kegelbahn

Der Felsenkeller an der Straße nach Oberstrahlbach wurde nicht nur vom „Roten Roß“, sondern auch von der Schlosswirtschaft genutzt. Im Keller wurde Bier gelagert. Für die Kühlung wurde im Winter Eis aus den umliegenden Weihern gebrochen und im Felsenkeller eingelagert.

Auf dem Felsenkeller war eine Kegelbahn, die an den Sonntagen im Sommer geöffnet war. Das Bier wurde direkt aus dem Keller ausgeschenkt. Beide Gasthäuser haben sich mit der Bewirtung der Gäste abgewechselt.

Vermutlich war die Kegelbahn um die Wende zum 20. Jahrhundert in Betrieb, denn um diese Zeit war Kegeln ein in allen Kreisen beliebtes Vergnügen.

Im Zuge der Flurbereinigung wurde der Felsenkeller 1971 aufgegeben.

 

 

 

Eine Kegelbahn von 1829 im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.
So könnte auch die Kegelbahn auf dem Felsenkeller ausgesehen haben.

1943 wird die zum Gasthaus gehörende Scheune durch einen Brand zerstört

Zwei Kinder aus dem Ruhrgebiet hatten den Brand verursacht. Sie waren durch die Kinderlandverschickung nach Herrnneuses gekommen. Mit der Kinderlandverschickung wurden ab Oktober 1940 Schulkinder sowie Mütter mit Kleinkindern aus den vom Luftkrieg bedrohten deutschen Städten längerfristig in weniger gefährdeten Gebieten untergebracht.

Der Brand zerstörte nicht nur die Scheune. Auch an den gegenüberliegenden Häusern zerbarsten die Fensterscheiben. Gleich in den folgenden Monaten wurde die Scheune wieder aufgebaut. Einige verkohlte Balken konnten dabei wieder verwendet werden. Sie sind noch heute in der neuen Scheune zu sehen.

 

Quellen:

  1. STROBEL (1972), Seite 87.
  2. FAMILYSEARCH.
  3. SEUFFERLEIN
  4. MÜCK (2014), Seite 386 ff.
  5. HZAN (1686).

Erinnerungen und Fotos von Einwohner:innen aus Herrnneuses.